Abschaffung der Studiengebühren

Im Sommer 2011 brachten die Freien Wähler in Bayern ein Volksbegehren für die Abschaffung der allgemeinen Studiengebühren für das Erst- sowie ein darauf folgendes konsekutives Masterstudium auf den Weg. Die erste Hürde, um überhaupt als Volksbegehren zugelassen werden zu können, bestand in der Sammlung von mindestens 25.000 Unterschriften von in Bayern wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern.

Die Unterschriftenlisten konnten im Juni 2012 erfolgreich dem Innenministerium übergeben werden, welches die formale Prüfung auf Zulässigkeit übernahm. Ein Volksbegehren über den Staatshaushalt ist laut Bayerischer Verfassung unzulässig. Genau dies sah das Innenministerium bei dem Volksbegehren gegen Studiengebühren gegeben, mit der Begründung, dass die Studienbeiträge einen nicht unwesentlichen Teil der Hochschulfinanzierung ausmachten und zu über 80% in den Staatshaushalt miteinflossen, da überwiegend Beschäftigungsverhältnisse daraus finanziert würden. Dieser Darstellung widersprachen nicht nur das Wissenschaftsministerium, sondern auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil am 22. Oktober 2012, in dem das Volksbegehren für zulässig erklärt wurde, da die Einnahmen aus Studienbeiträgen direkt in die Körperschaftshaushalte der Hochschulen flossen und damit nicht den Staatshaushalt betrafen. Damit bestand zum ersten Mal die Chance, die Studiengebühren unabhängig von der jeweiligen Landesregierung und schnellstmöglich abschaffen zu können.

Nachdem das Volksbegehren für zulässig erklärt wurde, gründete sich ein breites Bündnis auf Landes- und jeweils auf lokaler Ebene zur Unterstützung des Volksbegehrens. Damit das Volksbegehren erfolgreich sein konnte, mussten innerhalb von 14 Tagen 10% der in Bayern wahlberechtigten Bevölkerung in den Rathäusern ihres Erstwohnsitzes unterschreiben. Mit einer Unterschrift wurde jedoch noch nicht bestätigt, das Vorhaben des Volksbegehrens zu unterstützen, sondern lediglich, dass der Landtag zunächst über dieses Thema entscheiden solle und es bei einer Ablehnung dann zum eigentlichen Volksentscheid kommen könne.

Das Bündnis setzte sich aus den drei Oppositionsparteien im Bayerischen Landtag, der Landes-ASten-Konferenz (LAK) Bayern, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, weiteren Oppositionsparteien, die nicht im Landtag vertreten waren, verschiedenen kirchlichen Verbänden, Jugendverbänden sowie auf lokaler Ebene weiteren Bündnispartnerinnen und -partnern zusammen.

Bereits am Tag nach der Urteilsverkündung entflammte innerhalb der CSU, die 2007 die Studiengebühren bei absoluter Mehrheit eingeführt hatte, eine kontroverse Debatte darüber, ob man die Studiengebühren nicht besser gleich selbst abschaffen und nicht erst das Volksbegehren abwarten sollte. Die FDP als Koalitionspartner hielt jedoch weiterhin vehement an den Studiengebühren fest, sodass das anstehende Volksbegehren und die Studiengebühren als solche wochenlang mediale Aufmerksamkeit bekamen.

Diese Situation im Herbst 2012 nutzten insbesondere die bayerischen Studierendenvertretungen, um durch verschiedene Aktionen das Thema noch mehr als sonst bei den Studierenden und der allgemeinen Bevölkerung in den Fokus zu rücken.

Unterdessen fasste die CSU den Beschluss, von nun an aufgrund einer veränderten Sachlage, gegen Studienbeiträge zu sein, woraufhin sich die Regierungskoalition aus CSU und FDP darauf einigte, dass sie sich nicht einigen könne und zunächst das Volksbegehren abwarten werde, bevor über das weitere Vorgehen entschieden würde. Ende November setzte das Innenministerium schließlich den Zeitraum für das Volksbegehren vom 17. bis zum 30. Januar 2013 fest.

Um 10% aller in Bayern Wahlberechtigten zu überzeugen, für das Volksbegehren in den Rathäusern zu unterschreiben, war über den gesamten Eintragungszeitraum eine enorme Kraftanstrengung aller Bündnispartnerinnen und -partner in ganz Bayern notwendig, zumal die CSU angekündigt hatte, die Studienbeiträge nach der Landtagswahl ohnehin abschaffen zu wollen.

Am Ende trugen sich 14,3% aller Wahlberechtigten in ganz Bayern für das Volksbegehren ein, was über 400.000 Unterschriften mehr als nötig entspricht, und machten es damit zu einem der erfolgreichsten Volksbegehren in der bayerischen Geschichte.

Nach dem großen Erfolg des Volksbegehrens musste der Landtag nun entscheiden, ob er das Volksbegehren direkt annehmen wollte oder es zu einem Volksentscheid kommen sollte, bei dem die bayerische Bevölkerung über Abschaffung oder Erhalt der Studienbeiträge in Bayern hätte abstimmen können. Im Landtag selbst gab es nach dem Kurswechsel der CSU eine breite Mehrheit für die Abschaffung, allerdings hinderte der Koalitionsvertrag, der den Erhalt der Studiengebühren vorsah, die CSU zunächst daran, mit SPD, Freien Wählern und Grü-nen für das Volksbegehren zu stimmen. Um doch noch im Landtag eine Einigung zu erzielen, handelten die Spitzen von CSU und FDP eine Art Kompromiss aus. Die CSU durfte im Landtag für die Abschaffung stimmen, wenn gleichzeitig ein Bildungsfinanzierungsgesetz verabschiedet werden würde, das neben der vollen Kompensation der wegfallenden Studienbeiträge auch Investitionen in die frühkindliche und schulische Bildung sowie zusätzlich einen Absatz zur Schuldentilgung vorsah.

Der Landesparteitag der FDP stimmte Anfang März dem ausgehandelten Kompromiss zu, womit einer Abschaffung durch den Landtag nichts mehr im Wege stand.

Am 24. April 2013 fielen die allgemeinen Studienbeiträge schließlich per Landtagsbeschluss mit 124 Ja-Stimmen, 12 Nein Stimmen und 4 Enthaltungen.

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